Fotografie – aber in nachhaltig (Gastbeitrag von Lena Scherer)

Ich freue mich sehr über den Gastbeitrag von Lena Scherer. Sie ist Fotografin, spezialisiert auf (Fair-)Fashion und Portraits, setzt sich für Nachhaltigkeit und für ein wertschätzenderes Frauenbild ein und ist politisch aktiv.

Auf die Frage, wie sie sie zur nachhaltigen Fotografie kam, erzählte sie mir von ihrer einjährigen Reise von Alaska nach Peru, bei der ihr bewusst wurde, wie sehr der globale Norden von der Ausbeutung des globalen Südens profitiert. Eine Textilhalle in Zentralamerika führte ihr vor Augen, wie die Fast-Fashion-Branche mit schlechten Arbeitsbedingungen einhergeht.

Zurück in Deutschland, war ihr klar, dass sie als Fotografin einen anderen Weg gehen möchte und sich eher auf die Labels konzentrieren, die die Modewelt anders denken. So machte sie sich Gedanken über ihre eigene Arbeitsweise und eben auch über ihre Kund*innen und passte seit 2016 einiges an.

In diesem Gastbeitrag lässt sie uns hinter die Kulissen schauen und gibt auch viele praktische Tipps rund um die nachhaltige Fotografie. Außerdem zeigt sie auf, warum professionelles Bildmaterial an immer größere Bedeutung gewinnt.

Einen Einblick in ihrer tolle Arbeit findest du unter www.lenascherer.de oder auf Instagram via @lena_scherer_photo.

Fotografie – aber in nachhaltig

Gastbeitrag von Lena Scherer

Zu deiner Außenwirkung gehört nicht nur ein gutes Corporate Design (von Anna 😊), sondern auch eine qualitativ hochwertige und wiedererkennbare Bildwelt. Fotos laufen bei Unternehmen und Labels oft als „das können wir notfalls irgendwie selbst machen“ mit. Manche Menschen können das auch tatsächlich auf sehr hohem Niveau, viele jedoch nicht.

Dabei hängt davon so viel ab: mit einem Modebild, einem Porträt oder einem guten Still Life löst du bei deiner Kundin oder deinem Kunden Emotionen und sogar eine Kaufentscheidung aus. Durch die Abbildung fühlt sich die Person angesprochen, gar repräsentiert – oder eben nicht. Du möchtest damit dich oder etwas zeigen, das du liebevoll und mühsam erarbeitet hast. Die Qualität der Abbildung kann den Wert deines Produktes oder deiner Dienstleistung nach oben heben oder schlimmstenfalls herabsenken. Wir sind es so sehr gewohnt, von Bildern und auch zunehmend Bewegtbild überflutet zu werden, dass wir uns kaum noch die Zeit nehmen, zwischen einem guten und einem schlechten Foto aktiv zu unterscheiden. Aber unser Unterbewusstsein nimmt es wahr.

In Onlineshops werden schlecht bebilderte Produkte weniger verkauft als gut bebilderte. Auf Social Media werden Fotos favorisiert, die eine Emotion auslösen, ein ästhetischer Instagram-Feed macht ein Produkt wertig und ein gutes Porträt holt die betrachtende Person visuell ab. Bilder können Informationen transportieren und Geschichten erzählen. Wenn man sich also grundsätzlich dazu entschlossen hat in professionelles Material zu investieren und somit in eine freiberuflich, kreative, dienstleistende Person stellt sich noch die Frage: Geht das in nachhaltig? Wie in allen nachhaltigen Bereichen gelten auch hier die drei Dimensionen: ökonomisch, ökologisch und sozial. Denkt man diese immer mit, ist schon viel erreicht. Sehr viele großartige Tipps hat Anna hier aufbereitet, die zur Vervollständigung des Gesamtpakets beitragen. Auf meinen Beruf als Fotografin bezogen lässt sich folgendes sagen:

Vorbereitung des Shootings

Ein gutes und klares Briefing für dich und die Fotografin erleichtert die Arbeit und lässt euch effizient das Ziel erreichen. Wie viele Motive brauchst du wirklich? Was genau soll abgebildet werden? Kann weniger mehr sein? Berücksichtigt das Fotokonzept nachhaltiges und ressourcenschonendes Arbeiten? Überholt sich die Gestaltung der Bildwelt aufgrund von Trends bald selbst, oder kann man einen Stil finden, der zeitlos ist? Hat dein Team das gleiche Mindset? Kann man ein lokales Model buchen? Wird eine Location ausgesucht, die nicht mit dem Flugzeug angesteuert werden muss?

Produktionstag

Am Tag des Shootings gibt es möglichst plastikfreies, regional-saisonales Catering. Idealerweise hat man eine Location gefunden, die vielfältig einsetzbar ist, Ökostrom bezieht und man das ressourceneffiziente Briefing auch so umsetzen kann, wie gedacht. Versuche, Wiederholungen von Motiven oder unnötige Aufnahmen zu vermeiden, das spart Kosten und schont das Equipment. Natürlich darf man dabei nicht vergessen, dass mensch immer noch Dienstleister*in ist und die Kundin oder der Kunde mit einem guten Gefühl und dem gewünschten Material nach Hause geht.

Technik

Grundsätzlich wird Kameratechnik und allgemein das Equipment wie Laptops, Blitze, Funkauslöser usw. oft in asiatischen Ländern hergestellt und dabei Edelmetalle und seltene Erden eingesetzt. Die Arbeitsbedingungen sind nicht immer nachvollziehbar – leider. Im Kreislauf denken ist hier also ein guter Rat. Welches Equipment kannst du gebraucht kaufen? Welches leihen? Und wenn du etwas neu kaufen möchtest, kaufe es nahe dem Release-Datum, nutze und pflege es so, dass du es danach weiter verkaufen kannst und somit zurück in den Kreislauf führst.

Und jetzt?

Wenn die Entscheidung getroffen ist, ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Idee unter sozioökologischen Aspekten anzugehen und durchzuführen, dann macht es Sinn, es ganzheitlich zu denken. Wenn der ganze Prozess nachhaltig angelegt ist, warum dann bei den Kreativaspekten aufhören? Es wird nicht einfach sein, das immer einzuhalten. Und manchmal kann man es auch einfach nicht, schließlich lebt mensch immer noch als Teil dieser Gesellschaft, die den nachhaltigen Weg bisher verteuert oder erschwert. Aber versuchen kann man es; an allen möglichen Stellschrauben.

Als Unternehmen heißt das, entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette auf die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen zu achten. Im Beruf der Fotograf*in bedeutet es, sich auf einen nachhaltigen Kundenstamm zu konzentrieren und integer zu sein; das bedeutet genauso die freien Mitarbeiter*innen fair zu bezahlen, als auch für sich selbst ein existenzsicherndes Honorar zu verlangen. Es bedeutet, keine Dumpingpreise anzubieten, die der ganzen Branche schaden. Es kann bedeuten, mal eine Anfrage ablehnen zu müssen, weil sie deinem ethischen Kompass nicht entsprechen. Es fordert das Überdenken von Konzepten und der Ausführung. Es kann heißen, den eigenen Lebensstil anzupassen, sich politisch zu engagieren und nicht müde zu werden zu erklären, warum es als Brand Sinn macht, freiberufliche Kreative zu beauftragen, die sich genau darüber schon viele Gedanken gemacht haben und sich freuen, dich und deine Unternehmung auf diesem Weg zu unterstützen. Es ist eine Investition in dich, dein Label oder deine Idee – sie lohnt sich.

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